17.10.2024

Die versteckten Risiken von Embedded Insurance: Warum Bequemlichkeit teuer werden kann

In den letzten Jahren hat sich Embedded Insurance immer stärker etabliert – ein Konzept, bei dem Versicherungen direkt in den Kaufprozess von Produkten oder Dienstleistungen eingebettet werden. Ob beim Kauf eines neuen Smartphones, eines Fahrrads, von Konzerttickets oder einer Brille und auch beim Buchen einer Reise: Immer häufiger wird eine Versicherung als scheinbar sinnvolle Ergänzung mit nur einem Klick angeboten. Was auf den ersten Blick bequem und unkompliziert wirkt, birgt jedoch auch einige Nachteile, die Verbraucher*innen kennen sollten.


Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Fehlende Transparenz: Versicherungen werden oft unauffällig angeboten, ohne Zeit für genaue Prüfung.

  • Überflüssig oder teuer: Häufig ohne Bedarfsanalyse, daher oft unnötig oder zu teuer.

  • Geringe Auswahl: Nur ein Anbieter, kein Vergleich möglich.

  • Versteckte Kosten: Kosten oft schwer erkennbar, z. B. im Produktpreis versteckt.

  • Schwierige Kündigung: Kündigungsbedingungen oft unklar, Bindung an unnötige Policen möglich.


Neulich im Elektronik-Fachmarkt: Ich streife schon seit fünf Minuten durch die Gänge und suche eine bestimmte Heißluftfritteuse, die ich mir vorher online ausgeguckt hatte. Der Verkäufer, der offensichtlich für diesen Teil des Marktes zuständig ist, hat mich bisher gekonnt ignoriert und schaut auch als ich ihn anspreche eher belästigt als interessiert vom Bildschirm vor ihm auf. Ich schildere ihm mein Anliegen und sichtlich erleichtert darüber, dass ich wohl schon weiß, was ich will, und er kein Beratungsgespräch führen muss, führt er mich zur gesuchten Fritteuse. Ich packe den Karton (ohne ein Hilfsangebot oder ein weiteres Wort seinerseits) auf meinen Arm und laufe in Richtung der Kassen. Im Gehen ruft er mir noch zu, ich solle an der Kasse auch unbedingt daran denken, die PlusGarantie dazuzubuchen, die sei „total gut“. Ich lache laut auf und sage: „Sicherlich ist die total gut, aber nicht für mich.“ Er schaut mich verwundert an und wendet sich dann wieder seinem Bildschirm zu. Mit der Kassiererin führe ich ein sehr norddeutsches Gespräch „Moin.“, „Moin.“, „Alles?“, „Ja.“, „PlusGarantie?“, „Nö.“.

Auch sie ist offenkundig verwundert, dass ich so ein „total gutes“ Angebot ablehne und zuckt mit ihrer Hand, die wohl schon automatisiert die zur „PlusGarantie“ notwendige Eingabe auf ihrem Keyboard machen wollte. Ich sehe ihr an, wie sie kurz überlegt, ob das erlernte Verkaufsargument „total gut“ bei mir fruchten könnte. Sie kommt aber wohl zum ganz richtigen Ergebnis, dass dem nicht so ist, und sagt unsicher „‘ne Tasche aber schon, oder?“. „Das wäre total gut“, sage ich und wir verabschieden uns.

Scheinbar „total gute“ Versicherungen zugeschnitten auf das erworbene Produkt sind meist nur ein paar Klicks im Internet oder ein gedankenloses „Ja“ an der Kasse entfernt. Was aber bequem und praktisch wirkt, hat viele versteckte Nachteile für Verbraucher*innen:

1. Unzureichende Transparenz

Einer der größten Kritikpunkte an Embedded Insurance aus Verbraucherschutzperspektive ist die mangelnde Transparenz. Die Versicherung wird in der Regel schnell und unauffällig in den Kaufprozess integriert, häufig ohne dass Verbraucher*innen ausreichend Zeit haben, die Vertragsbedingungen genau zu prüfen*. Wichtige Informationen zum Deckungsumfang, zu Ausschlüssen und weiteren Konditionen können leicht übersehen werden. Das Risiko dabei: Man schließt eine Versicherung ab, ohne genau zu wissen, was sie wirklich abdeckt und welche Rechte oder Pflichten damit verbunden sind.

* Grundsätzlich müssen Verbraucher*innen jedoch die Möglichkeit haben – rechtzeitig vor Vertragsabschluss - die Bedingungen einzusehen. Hierfür können diese beispielsweise ausgehändigt oder als Download bereitgestellt werden.

2. Unnötige oder überteuerte Policen

Embedded Insurance wird häufig automatisch angeboten, ohne eine individuelle Risikoanalyse oder auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Verbraucher*innen einzugehen. Das führt dazu, dass viele Menschen eine Versicherung abschließen, die sie entweder gar nicht brauchen oder die zu teuer ist – im schlimmsten Fall beides. Gerade bei Produkten wie Elektronikartikeln sind die Kosten für solche Embedded Insurance-Lösungen oft unverhältnismäßig hoch im Vergleich zum eigentlichen Schadenrisiko. Es entsteht also die Gefahr, dass Verbraucher*innen unnötig Geld für Policen ausgeben, die sie im Ernstfall kaum schützen oder deren Kosten den Nutzen übersteigen. Manche Gefahren sind eventuell ohnehin schon über andere Versicherungen abgedeckt.


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3. Eingeschränkte Auswahlmöglichkeiten

Ein weiterer Nachteil ist die eingeschränkte Auswahl. Da Embedded Insurance meist an einen bestimmten Anbieter oder Produkt gebunden ist, haben Verbraucher*innen so gut wie nie die Möglichkeit, Angebote zu vergleichen. In der Regel wird nur die Versicherung des Partners, mit dem der Händler kooperiert, angeboten. Das führt dazu, dass man sich nicht für die möglicherweise günstigere oder besser passende Alternative eines anderen Versicherers entscheiden kann. Zudem besteht für den Anbieter aufgrund seiner Monopolstellung kein Grund, im Kampf um die Kund*innen die Preise oder Konditionen zu verbessern, wie es in einer normalen Wettbewerbssituation der Fall wäre.

4. Versteckte Kosten und Gebühren

Auch versteckte Kosten können bei Embedded Insurance ein Problem sein. Beispielsweise, wenn die Prämien im Gesamtpreis des Produkts oder der Dienstleistung „versteckt“ sind, sodass es auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, wie viel die Versicherung tatsächlich kostet. Oftmals gibt es zusätzliche Gebühren oder versteckte Klauseln, die bei Vertragsabschluss nicht ausreichend offengelegt werden. Wer nicht genau hinschaut, zahlt möglicherweise mehr, als ursprünglich angenommen.

5. Erschwerte Kündigungsbedingungen

Beim bequemen, schnellen Abschluss achten Verbraucher*innen häufig nicht auf die Kündigungsbedingungen der eingebetteten Policen. Da Embedded Insurance als Zusatzleistung im Paket verkauft wird, ist es nicht immer klar, wie und wann man den Versicherungsvertrag kündigen kann. Dies kann dazu führen, dass Verbraucher*innen länger an eine unnötige oder unvorteilhafte Versicherung gebunden sind, als sie es eigentlich möchten.

Embedded Insurance: Vorsicht vor der Bequemlichkeitsfalle!

Embedded Insurance scheint auf den ersten Blick eine bequeme Lösung zu sein – schnell, einfach und direkt verfügbar. Doch diese Bequemlichkeit hat ihren Preis. Verbraucher*innen sollten genau hinschauen, die Konditionen prüfen und sich bewusstmachen, dass eine solche „eingebettete“ Versicherung meist nicht die beste oder günstigste Wahl ist. Es ist sinnvoller, sich aktiv mit den eigenen Versicherungsbedürfnissen auseinanderzusetzen und verschiedene Angebote zu vergleichen, bevor man voreilig einen Embedded-Insurance-Vertrag abschließt. Nur so lassen sich unnötige Kosten und böse Überraschungen vermeiden.

Die unnötige Garantieverlängerung für meine Heißluftfritteuse wäre mit einem Preis von rund 25,- Euro absolut verschmerzbar gewesen. Wenn ich aber beispielsweise eine Reise buche und mit einem Klick das „Rundum-Sorglos-Versicherungspaket“ abschließe, das Reiserücktritt-, Reisegepäck- und Auslandsreisekrankenversicherung umfasst, stellt sich das ganz anders dar. Im schlimmsten Fall besitze ich nicht nur zwei unnötige Versicherungen sondern auch noch eine Reisekrankenversicherungen, deren Bedingungen nicht ausreichend sind. Hätte ich den Klick nicht gemacht und mich stattdessen um eine Auslandsreisekrankenversicherung bemüht, die meinen Bedürfnissen entspricht, hätte ich höchstwahrscheinlich besseren Versicherungsschutz für weniger Geld erhalten.

„Total gut“ ist die Embedded Insurance in erster Linie für Versicherer – denn durch sie fallen kaum Marketing- oder Vertriebskosten bei der Neukundengewinnung an. Sie gilt unter anderem auch deswegen als ein Megatrend in der Branche. Wir als Verbraucherschutzverein werden die Entwicklung daher weiter im Auge behalten.

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Julia Alice Böhne, Pressereferentin beim Bund der Versicherten

Über mich

Ich bin Julia Alice Böhne und seit Februar 2018 als Pressereferentin beim Bund der Versicherten. Zuvor habe ich mehrere Jahre als Journalistin bei einem Fachmagazin für und über die Finanz- und Versicherungsbranche geschrieben. Der Aspekt des Verbraucherschutzes hat mich dabei besonders interessiert. Denn je mehr ich mich mit Versicherungen beschäftigt habe, desto deutlicher wurde, wie undurchsichtig die Branche und ihre Produkte für die meisten Menschen sind. Gleichzeitig empfinden viele das Thema als langweilig oder gar lästig, obwohl es teilweise um existenziellen Schutz geht. Ich möchte dazu beitragen, diese Intransparenz zu beseitigen und mehr Interesse an Versicherungsthemen zu erzeugen – unter anderem mit Beiträgen im BdV-Ratgeber.