3.8.2023

Kapitallebensversicherungen – mehr „cringe“ geht nicht

Vorsorgen ist eine gute Sache: fürs Alter, für die Familie, für den Notfall. Dabei sollte man jedoch auf das richtige Vehikel setzen. Welches das ist, hängt vom individuellen Bedarf und den Bedürfnissen ab. Aber eins ist sicher: Eine Kapitallebensversicherung ist es nicht.

Zu Anfang dieses Textes muss ich etwas gestehen: Mein guilty pleasure* ist es, mir kurz vorm Zubettgehen die Profile sogenannter Momfluencer auf Instagram anzusehen. Momfluencer sind Mütter, die in sozialen Medien ihr Privatleben (oder besser gesagt eine ästhetische Inszenierung dessen) teilen, indem sie Fotos und kurze Videos auf den einschlägigen Plattformen veröffentlichen – und so als Influencerinnen agieren. Meist haben sie eine Vielzahl an Menschen, die ihren Profilen dort folgen und so ist es wenig verwunderlich, dass viele von ihnen ihr Geld mit Werbung verdienen. Diese muss zwar als solche gekennzeichnet werden, reiht sich aber dennoch recht unauffällig in die übrigen Inhalte ein.

Ich beobachte die Aktivitäten (übrigens ohne den Profilen zu folgen) mit einer Mischung aus voyeuristischer Neugier und einer gehörigen Prise Fremdscham, die Werbeanzeigen – meist für Federwiegen, Windelabonnements, Spielzeuge, Kosmetikprodukte – ignoriere ich weitgehend. Vor Kurzem habe ich mich aber über eine Werbung geärgert: Eine Influencerin warb mit einem Pärchen-Foto und einem emotionalen Text (scheinbar gerichtet an ihren Partner) zum Thema Geborgenheit, Sicherheit und Familie für eine Lebensversicherung. Aber nicht für eine Risikolebensversicherung, die eine sehr wichtige oder zumindest sinnvolle Absicherung für Hinterbliebene sein kann, sondern für eine Kapitallebensversicherung.

Risikolebensversicherung: zur Hinterbliebenenabsicherung die bessere Wahl

Nun kommentiere ich grundsätzlich nichts in sozialen Medien, aber beim Lesen dieses Posts hat es mich doch sehr in den Fingern gejuckt. Deswegen möchte ich hier noch einmal festhalten: Der Abschluss einer Kapitallebensversicherung zur Altersvorsorge, zum Vermögensaufbau oder zur Absicherung von Angehörigen ist niemals sinnvoll. Mir ist spätestens seit Beginn meiner Tätigkeit beim Verbraucherschutz klar, wie unvorteilhaft dieses Produkt ist. Das habe ich so verinnerlicht, dass Werbung dafür - auch noch durch eine relativ junge Person – auf mich nicht nur falsch und anachronistisch, sondern auch hochgradig peinlich (oder auch: cringe) wirkt.

Möchte man Hinterbliebene für den Fall des eigenen Todes finanziell absichern, gelingt das sehr viel besser mit einer Risikolebensversicherung. Soll bei der Kapitallebensversicherung eine ausreichende Todesfallleistung vereinbart werden, führt das in Kombination mit dem Sparvorgang zu sehr hohen und fast unbezahlbaren Prämien. Eine Risikolebensversicherung mit ausreichender Versicherungssumme kostet nur einen Bruchteil der Prämie für eine Kapitallebensversicherung. Es ist daher empfehlenswert, den Versicherungsschutz für Hinterbliebene von der Geldanlage für die eigene Altersvorsorge zu trennen.

Weitere Informationen gibts im BdV-Infoblatt Risikolebensversicherung.

Darum ist die Kapitallebensversicherung ungeeignet

Drei wesentliche Punkte machen die Kapitallebensversicherung so unattraktiv: Ihr Konstrukt ist intransparent, sie hat eine nahezu unterirdische Rendite und in der Ansparphase ist sie denkbar unflexibel. Die Prämie ist in drei Bestandteile aufgeteilt: der Risikoanteil zur Deckung des Todesfallrisikos, der Kostenanteil für Abschluss und Verwaltung und der Sparanteil. Wie diese Aufteilung im Detail aussieht, also wie viel vom eingezahlten Geld letztlich in den Spartopf fließt, bleibt das Geheimnis des Versicherers.

Lediglich der verbleibende Sparanteil wird mit dem garantierten Höchstrechnungszins von maximal 0,25 Prozent (bei ab 2022 abgeschlossenen Verträgen) verzinst. Ein Thema für sich ist eigentlich die Beteiligung an den Überschüssen einschließlich der Bewertungsreserven, auf die die Versicherungsnehmer*innen Anspruch haben und mit der die Lebensversicherer gern werben. Dafür prognostizieren diese die Höhe der möglichen Überschüsse. Die tatsächliche Höhe hängt vom Kapitalmarkt, von der Anlagepolitik des Versicherers, den Verwaltungskosten und der Entwicklung der Sterblichkeit ab. Die lang anhaltende Niedrigzinsphase und viele gesetzliche Änderungen zugunsten der Lebensversicherer haben zu deutlichen Kürzungen bei den Überschussbeteiligungen geführt. Die Effektivrendite einer Kapitallebensversicherung kann – bezogen auf die Gesamtprämie nach Abzug der Kosten – beim aktuellen Garantiezins sogar im negativen Bereich liegen.

Bei den langen Laufzeiten von mehreren Jahrzehnten, auf die das Produkt ausgelegt ist, kann es viele Gründe geben, warum ein Vertrag nicht fortgesetzt werden kann: etwa Familienplanung, Arbeitslosigkeit, etc. Das belegt ein Blick in die Statistik, denn deutlich mehr als die Hälfte aller Verträge werden von Versicherungsnehmer*innen vor dem regulären Ablauf gekündigt. Aber benötigt man das Geld schon vor Vertragsende oder möchte beziehungsweise kann man die Prämien nicht mehr bezahlen, muss man teilweise hohe Verluste in Kauf nehmen.

Kurz gesagt: Finger weg von Kapitallebensversicherungen! Trennen Sie Risikoschutzund Sparvorgang. Statt Ihr Geld in den Sand zu setzen, sollten Sie - falls nötig - eine Risikolebensversicherung abschließen und für die Altersvorsorge auf eine separate Geldanlage setzen (etwa in Form eines ETF-Sparplans).

Gleiches gilt für private Rentenversicherungen sowie für die Riester- oder Rürup-Rentenversicherungen.

Übrigens sind auch andere, vermeintlich moderne, Lebens- und Rentenversicherungsprodukte wie Fondspolicen für die Altersvorsorge ungeeignet. Warum? Das können Sie hier lesen.

Ich hoffe natürlich, dass niemand sich von der eingangs erwähnten Instagram-Werbung hat beeinflussen lassen – und nicht einmal die besagte Influencerin selbst das Produkt besitzt. Und falls doch, gibt es fast immer einen Ausweg: Sollten Sie einen Kapitallebensversicherungsvertrag abgeschlossen haben, kann Ihnen unser Infoblatt „Ausstieg aus kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen“ helfen, die richtige Lösung zu finden.

Unsere Mitglieder können sich mit Fragen rund um die Kapitallebensversicherung an unser Beratungsteam wenden.


Julia Alice Böhne, Pressereferentin beim Bund der Versicherten

Über mich

Ich bin Julia Alice Böhne und seit Februar 2018 als Pressereferentin beim Bund der Versicherten. Zuvor habe ich mehrere Jahre als Journalistin bei einem Fachmagazin für und über die Finanz- und Versicherungsbranche geschrieben. Der Aspekt des Verbraucherschutzes hat mich dabei besonders interessiert. Denn je mehr ich mich mit Versicherungen beschäftigt habe, desto deutlicher wurde, wie undurchsichtig die Branche und ihre Produkte für die meisten Menschen sind. Gleichzeitig empfinden viele das Thema als langweilig oder gar lästig, obwohl es teilweise um existenziellen Schutz geht. Ich möchte dazu beitragen, diese Intransparenz zu beseitigen und mehr Interesse an Versicherungsthemen zu erzeugen – unter anderem mit Beiträgen im BdV-Ratgeber.