12.05.2022

HAPPY BIRTHDAY - Dear Florence

In Gedenken an den Geburtstag von Florence Nightingale, der Pionierin der modernen Krankenpflege, wird heute der Internationale Aktionstag der Pflegenden begangen. Aber Sie werden sich fragen: „Was hat das mit Versicherungen zu tun?“ So einiges – v. a. mit der Krankenversicherung – die ich hier punktuell hinsichtlich der Leistungen bei häuslicher Krankenpflege kurz beleuchten möchte.

Was bedeutet „häusliche Krankenpflege“ im Rahmen der Krankenversicherung? Sehen die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und auch die private Krankenversicherung (PKV) dafür Leistungen vor? Wo ist die Abgrenzung zur häuslichen Pflege nach dem SGB XI?...

Häusliche Krankenpflege – gesetzliche Krankenversicherung

Die häusliche Krankenpflege ist nach § 37 SGB V eine unterstützende Maßnahme der Krankenbehandlung. Gesetzlich Versicherte können häusliche Krankenpflege nach dem SGB V erhalten, wenn ihre behandelnden Ärzt*innen diese Leistung aufgrund einer behandlungsbedürftigen Krankheit verordnen. Ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur dann, wenn eine im Haushalt lebende Person die kranke Person nicht in dem erforderlichen Umfang pflegen oder versorgen kann. Soweit nur pflegerische Maßnahmen ohne gleichzeitige ärztliche Behandlung notwendig sind, besteht kein Leistungsanspruch. Deshalb ist die Behandlungspflege das Wesensmerkmal und Abgrenzungskriterium der häuslichen Krankenpflege.

Das SGB V unterscheidet zwei Formen der häuslichen Krankenpflege:

Bei der Krankenhausersatzpflege muss die häusliche Krankenpflege eine an sich gebotene Krankenhausbehandlung ersetzen können, weil:

  • diese nicht ausführbar ist oder
  • sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird.

Das Leistungsspektrum umfasst die im Einzelfall notwendige ärztlich verordnete Behandlungspflege, die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung.

  • Behandlungspflege bedeutet medizinische Hilfeleistungen – wie Injektionen, Verabreichung von Medikamenten oder Verbandswechsel.
  • Zur Grundpflege gehören v. a. pflegerische Maßnahmen wie Betten, Lagern und Wenden, Körperpflege und Hilfen im hygienischen Bereich sowie Bewegung und Mobilisierung.
  • Hauswirtschaftliche Versorgung umfasst das Kochen, das Reinigen der Wohnung, Einkaufen usw.

Pro Krankheitsfall besteht ein Leistungsanspruch von maximal vier Wochen, welcher in begründeten Ausnahmefällen verlängert werden kann.

Dagegen muss bei der Sicherungspflege die häusliche Krankenpflege erforderlich sein, um das Ziel der ärztlichen Behandlung zu sichern – d. h. um Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln und zu verhüten. Die im Einzelfall erforderliche ärztlich verordnete Behandlungspflege stellt eine Regelleistung der Krankenkasse dar, die zeitlich unbefristet gewährt werden muss.

Der Anspruch auf zusätzlich notwendige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung besteht dabei nur in dem von der Satzung der jeweiligen Krankenkasse vorgesehenen Leistungsumfang.

Abgrenzung zur häuslichen Pflege nach dem SGB XI – Soziale Pflegeversicherung (SPV)

Die Leistungen der häuslichen Krankenpflege des SGB V sind für den Versicherungsfall „Krankheit“ vorgesehen. Sie unterscheiden sich von den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XI, die den Versicherungsfall „Pflegebedürftigkeit“ betreffen.

Pflegebedürftig im Sinne des SGB XI sind Personen, die für Verrichtungen des täglichen Lebens in erheblichem Maße Hilfe benötigen. Die Hilfsbedürftigkeit kann auf einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung beruhen und muss voraussichtlich mindestens sechs Monate bestehen. Zum Leistungsumfang gehören Grundpflege (Körperpflege, Mobilität, Ernährung) und hauswirtschaftliche Versorgung. Als Hilfeleistungen kommen in Frage:

  • Unterstützung bei den Verrichtungen,
  • teilweise oder vollständige Übernahme der Verrichtungen und
  • Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der vollständigen Übernahme der Verrichtungen.

Bei häuslicher Pflege erhalten Pflegebedürftige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung, die durch geeignete Pflegekräfte erbracht wird (häusliche Pflegehilfe). Anstatt von Pflegesachleistungen können die Pflegebedürftigen auch ein Pflegegeld beantragen, wenn sie die pflegerische Versorgung durch eine Pflegeperson in geeigneter Weise selbst sicherstellen. Eine zeitliche Befristung der Pflegeleistungen ist im SGB XI nicht vorgesehen.

Konkurrenzsituation

Durch das Einführen der Pflegeversicherung kommt es zu einer Konkurrenzsituation zwischen den Leistungen der häuslichen Krankenpflege und der Pflegesachleistung bzw. dem Pflegegeld. Denn Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung sind sowohl Bestandteile der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V als auch der Pflegesachleistung nach dem SGB XI. Dabei kommt es häufig in der Praxis vor, dass eine wegen einer Krankheit behandlungsbedürftige versicherte Person auch pflegebedürftig im Sinne des SGB XI ist. Das gleiche gilt auch umgekehrt: Bei nach dem Pflegeversicherungsgesetz zu Leistungen berechtigten Patient*innen tritt eine behandlungsbedürftige Krankheit auf, für die häusliche Krankenpflege erforderlich wird (z.B. Dekubitus). Zur Bestimmung des zuständigen Leistungsträgers ist zu unterscheiden, ob eine Krankenhausersatzpflege oder eine Sicherungspflege einschlägig ist:

  • Bei Krankenhausersatzpflege ruht der Anspruch auf Leistungen häuslicher Pflege nach dem SGB XI in dem Umfang, in dem auch Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung nach der häuslichen Krankenpflege besteht. Die Leistungen des SGB V sind dann also vorrangig vor den Leistungen des SGB XI.
     
  • Bei der Sicherungspflege gehört allein die Behandlungspflege zur Regelleistung. Selbst wenn die Satzung der jeweiligen Krankenkasse Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung im Leistungskatalog vorsieht, sind diese Leistungen von der Pflegeversicherung zu übernehmen. Bei der Sicherungspflege haben also die Leistungen des SGB XI Vorrang vor den Leistungen des SGB V.

Häusliche Krankenpflege – private Krankenversicherung

Bei der privaten Krankenversicherung kommt es allein auf die vertraglichen Regelungen an, ob häusliche Krankenpflege Bestandteil der PKV-Vollversicherung ist oder nur eingeschränkt oder gar nicht. Ein gesetzlicher Anspruch hierauf besteht nicht. Daher sollte man vor Vertragsabschluss prüfen, ob und in welchem Umfang Leistungen bei häuslicher Krankenpflege umfasst sind. Das Gleiche gilt bei einem bereits bestehendem PKV-Vertrag. Ein guter privater Krankenversicherungsvertrag sollte u. a. dieses BdV-K.-o.-Kriterien erfüllen:

Die Kosten für häusliche Krankenpflege (Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung und Behandlungspflege) sind erstattungsfähig – zumindest nach vorheriger schriftlicher Zusage des Versicherungsunternehmens.

Einige Tarife bei bestimmten Krankenversicherern sehen keine Leistungen vor.

Leistungen bei häuslicher Krankenpflege

Die tariflichen Leistungen fallen je nach Tarif unterschiedlich aus.

Beispiel 1 (eingeschränkte Regelung):

Die Aufwendungen für häusliche Behandlungspflege werden im tariflichen Umfang erstattet. Dies sind die Kosten für ärztlich angeordnete und von Pflegekräften durchgeführte medizinische Einzelleistungen (z. B. Verbandswechsel, Wundpflege, Kathederwechsel) die auf Heilung, Besserung, Linderung oder Verhütung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet sind.

Beispiel 2 (eingeschränkte Regelung):

Die Aufwendungen für die häusliche Behandlungspflege sind zu 100 Prozent erstattungsfähig.

Beispiel 3 (vorteilhaftere Regelung):

Die Aufwendungen für häusliche Krankenpflege sind zu 100 Prozent erstattungsfähig, sofern die versicherte Person nicht durch eine im Haushalt lebende Person im erforderlichen Umfang gepflegt und versorgt werden kann.

Die Grundpflege und die häusliche Versorgung sind bis zu 50 Euro pro Tag für maximal 14 Tage je Behandlungsfall erstattungsfähig, wenn eine Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder durch die Maßnahme vermieden oder verkürzt wird. Die Aufwendungen für Behandlungspflege werden bei einer Krankenhausvermeidungspflege für maximal 28 Tage je Versicherungsfall erstattet.

Beispiel 4 (vorteilhaftere Regelung):

Die Aufwendungen für häusliche Krankenpflege sind zu 100 Prozent erstattungsfähig, sofern die versicherte Person nicht durch eine im Haushalt lebende Person im erforderlichen Umfang gepflegt und versorgt werden kann.

Die Grundpflege und die häusliche Versorgung sind für die Dauer von bis zu vier Wochen je Versicherungsfall (darüber hinaus nur nach vorheriger schriftlicher Zusage) erstattungsfähig, wenn eine Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder durch die Maßnahme vermieden oder verkürzt wird.

Prüfen Sie also genau die vertraglichen Regelungen Ihres bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrages hinsichtlich der häuslichen Krankenpflege, damit Sie im Leistungsfall keine böse Überraschung erleben. Falls dieses und auch andere BdV-K.-o.-Kriterien nicht erfüllt werden, sollten sie einen Tarifwechsel innerhalb Ihres PKV-Unternehmens prüfen. Bei Fragen wenden Sie gern an die Berater*innen des BdV.

Spielen Sie mit dem Gedanken von der GKV in die PKV wechseln zu wollen, sollten Sie selbstverständlich die BdV-K.-o.-Kriterien beachten. Lassen Sie sich vor einem solchen Schritt, der in der Regel eine lebenslange Wirkung entfaltet, am besten unabhängig beraten – z. B. durch die Berater*innen des BdV, spezialisierte Versicherungsberater oder Versicherungsmakler. Die BdV-K.-o.-Kriterien und weitere wichtige Informationen finden Sie im Infoblatt – Private Krankenversicherung (PKV).


Jens Trittmacher, Stellungnahmen, Infoblätter und Musterverfahren

Über mich

Hallo, mein Name ist Jens Trittmacher. Seit Berufsbeginn treiben mich private Versicherungsthemen um, v.a. Personenversicherungen und insbesondere die private Krankenversicherung. Nach meiner Ausbildung bei der NOVA Krankenversicherung a. G. absolvierte ich mein Jurastudium und Rechtsreferendariat in Hamburg. Danach war ich lange als Versicherungsberater in eigener Kanzlei tätig. Seit über 15 Jahren gehöre ich als Volljurist zum BdV-Team. Ab Juni 2008 leitete ich die Beraterabteilung und ab 2012 auch die Abteilung Research. Seit 2014 setze ich schwerpunktmäßig in der Abteilung strategische Planung und interne Beratung das fort, was ich zuvor begann. Ich gestalte die verbraucherpolitische Ausrichtung des BdV mit und entwickle u. a. fachliche Inhalte für Stellungnahmen und Infoblätter sowie Ideen für Musterverfahren. Besonders wichtig ist mir, den Verbraucher*innen Gehör zu verschaffen.