Was denn nun: Altersversorgung oder Altersvorsorge?
Wenn es um das Thema Rente geht, stößt man immer wieder auf die Begriffe Altersvorsorge und Altersversorgung. Doch was ist eigentlich der Unterschied? Gibt es überhaupt einen?
Möchte man sich dem Thema rein vom Wortlaut nähern, liegt ein Blick in den Duden nahe. Dort wird die Altersversorgung beschrieben als die „(gesetzlich geregelte) Versorgung alter Menschen“1. Dagegen meint Altersvorsorge die „Vorsorge für das Alter“. Darauf hätte man jetzt auch noch ohne Blick in den Duden kommen können. Dabei ist der Begriff Altersvorsorge noch gar nicht so alt: erst 2004 wurde er in den Rechtschreibduden aufgenommen2.
Man müsste also meinen, dass das Ergebnis klar ist: wer im Alter versorgt sein möchte, muss vorsorgen! Also alles nur eine Frage der Betrachtung auf der Zeitschiene?
Glaubt man dem Duden, gab es lange Zeit also nur den Begriff der Altersversorgung.
Schauen wir uns dazu einmal an, wie der Duden funktioniert: zunächst ist festzustellen, dass der Duden ein privater Verlag ist. Ein Wort wird nach Darstellung des Leiters der Dudenreaktion, Dr. Werner Scholze-Stubenrecht, dann in den Duden aufgenommen, wenn es gebräuchlich ist, d. h. wenn es in verschiedenen Publikationen häufig vorkommt3. Der Duden ist also nicht die maßgebliche Rechtschreibinstanz. Das ist (seit 2004) der Rat für deutsche Rechtschreibung4. Aber der Duden sammelt Worte und nimmt sie auf, wenn sie häufig verwendet werden und trägt somit der faktischen Entwicklung der deutschen Sprache Rechnung.
Dudenrelevanz
Was war denn nun im Jahre 2004, was zur Aufnahme des Wortes Altersvorsorge führte? Dazu müssen wir noch etwas weiter zurückschauen, denn es dauert ja ein bisschen, bis ein Wort faktische „Dudenrelevanz“ erlangt.
Schauen wir uns dazu einmal an, wo einem der Begriff Altersversorgung über den Weg läuft. Der Duden deutet es an, hier geht es um Gesetze. Dort fühle ich mich als Jurist zu Hause.
Der Begriff Altersversorgung findet sich beispielsweise im Zusammenhang mit der gesetzlichen Rentenversicherung, geregelt im Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (kurz: SGB VI).
In der Fassung bis zum 31.12.2000 findet sich dort der Begriff Altersvorsorge nicht ein einziges Mal. Erst danach findet sich beispielsweise in § 68 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI der Begriff Altersvorsorgeanteil. Dabei kam der Begriff erst relativ spät ins Gesetz: Erst im Laufe des Jahres 2001 – und damit rückwirkend – wurde das SGB VI entsprechend geändert.
Hintergrund war die Einführung eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG)5.
Der Gesetzgeber befürchtete einen demografisch bedingten Anstieg des gesetzlichen Rentenbeitrags und wollte diesen durch Absenkung des Rentenniveaus auf 67 Prozent bei gleichzeitiger Förderung des eigenverantwortlichen Aufbaus einer privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge begrenzen6. Erreicht werden sollte dieses Ziel u. a. durch die Aufnahme eines Altersvorsorgeanteils in Höhe von 4 Prozent in die Rentenanpassungsformel.
Mit der Einführung des AVmG wurde mit § 10a EStG u. a. auch ein zusätzlicher Sonderausgaben-Abzug für Altersvorsorgebeiträge eingeführt: es geht um die Riester-Rente!
Die Riester-Rente hat dem Wort Altersvorsorge zur Dudenrelevanz verholfen
Damit ist es raus: Die Riester-Rente hat dem Wort Altersvorsorge zum Durchbruch – oder zutreffender- zur Dudenrelevanz verholfen. Wobei ich klarstellen möchte: Ich meine Korrelation, nicht Kausalität.
Der Gesetzgeber folgt hierbei begrifflich der Logik, dass Altersvorsorge die Bemühungen zum Aufbau einer Altersversorgung meint. Denn er belohnt diejenigen durch steuerliche Vergünstigungen, die für das Alter vorsorgen. Ob bzw. inwieweit Sparer*innen durch die Vorsorgebemühungen im Alter versorgt sind, ist dem Gesetzgeber dabei egal.
Erkennbar wählt der Gesetzgeber die Begrifflichkeit nach der Betrachtung auf der Zeitschiene: Legt er seinen Fokus auf die Einzahlungsphase, verwendet er den Begriff Altersvorsorge. Betrachtet er die Auszahlungsphase, verwendet er den Begriff Altersversorgung.
Überprüfen wir unser Ergebnis anhand eines weiteren Gesetzes: dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG). In der Langfassung nennt sich das BetrAVG „Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung“. Die Überschrift lässt es bereits erahnen: Im gesamten Gesetzestext findet sich nicht ein einziges Mal das Wort Altersvorsorge.
Das ist folgerichtig, denn das BetrAVG legt seinen Fokus auf die Zusage des Arbeitgebers zu einer Versorgung im Alter. Für dessen Höhe hat der Arbeitgeber sogar einzustehen (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG).
Damit können wir festhalten: Nach der gesetzgeberischen Begriffslogik gibt es eine klare Unterscheidung zwischen Altersversorgung und Altersvorsorge.
Doch welchen Begriff soll man wählen, wenn man über die Sicherung des Lebensstandards im Alter bspw. durch „Altersrente“ sprechen möchte, ohne den Fokus auf Einzahlungs- oder Auszahlungsphase legen zu wollen? Ich schlage als Sammelbegriff „Alterssicherung“ vor. Aber das bleibt natürlich allen selbst überlassen.
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1 https://www.duden.de/rechtschreibung/Altersversorgung, alle Verweise zuletzt abgerufen am 06.09.2021.
2 https://www.duden.de/rechtschreibung/Altersvorsorge.
4 https://www.rechtschreibrat.com/der-rat/.
5 BT-Drs. 14/5146 und BT-Drs. 14/5150.
6 BT-Drs. 14/5146, S. 2.