04.05.2021

Teilzeitklauseln in der Berufsunfähigkeits-Versicherung

Was passiert mit der Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn ich in Teilzeit arbeite? Die Antwort ist nicht immer einfach, und es gibt verschiedene Klauseln, die oft mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Warum es nicht immer so einfach ist, einen Anspruch auf BU-Rente zu erhalten, wenn man in Teilzeit arbeitet, und welche Fallstricke man kennen sollte.


Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Berufsunfähigkeits-Versicherung prüft den zuletzt ausgeübten Beruf im gesunden Zustand

  • Bei Teilzeitarbeit ist die 50%-Hürde für Berufsunfähigkeit schwerer zu erreichen, da der Versicherer den Beruf prozentual hochrechnen könnte.

  • Zwei Varianten von Teilzeit-Klauseln:

    • Prozentuale Hochrechnung der Teilzeit auf einen Vollzeit-Job – problematisch, da die Tätigkeiten nicht immer einfach vergleichbar sind.

    • Berücksichtigung von Hausarbeit – unscharf, was als Hausarbeit zählt und wie es sich auf die BU auswirkt.

  • Teilzeit und Corona: Arbeitszeiten in Kurzarbeit oder Homeoffice zählen nicht zur Berufsunfähigkeitsprüfung, wenn sie nicht dauerhaft und freiwillig sind.

  • Die Teilzeit-Klauseln sind eher kompliziert und bringen wenig Klarheit. Die meisten BU-Fälle hängen nicht von der Arbeitszeit, sondern vom Arbeitsergebnis ab.


Wer sich schon mal mit der Berufsunfähigkeits-Versicherung beschäftigt hat, weiß, dass immer die berufliche Tätigkeit versichert ist, die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübt wurde. Und wer es nicht wusste, weiß es jetzt.

Diese Regelung ist sehr sinnvoll, weil Krankheitsverläufe oft schleichend sind. Sie geht zurück auf einen Automechaniker, dem eine Werkstatt mit Tankstelle gehörte. Als dieser nicht mehr als Automechaniker arbeiten konnte, verpachtete er die Werkstatt und arbeitete nur noch in der Tankstelle. Aber auch hier wurde die Arbeit bald zu beschwerlich, weshalb er bei seiner Versicherung Rente wegen BU beantragte.

In der Prüfung wurde festgestellt, dass er noch zu mehr als 50% in der Tankstelle arbeiten könne. Das fühlt sich ungerecht an, weshalb das Ganze vor Gericht landete. Und hier wurde eben entschieden, dass es ja wohl nicht in Ordnung sei, dem Versicherten einen Strick daraus zu drehen, dass er im ersten Schritt noch den Leistungsfall zu vermeiden versuchte und etwas anderes arbeitete. Die Versicherung musste auf den Beruf prüfen, den er ausübte als er gesund war, und die Rente folglich bezahlen.

Teilzeit darf nicht benachteiligt werden

Jetzt ändern sich aber die Zeiten recht schnell und so kommt es nun, dass mittlerweile immer mehr Menschen zumindest vorübergehend in Teilzeit arbeiten. Deshalb hat sogar schon der europäische Gerichtshof gesagt, dass Teilzeit gegenüber der Vollzeit nicht benachteiligt werden darf.

Wenn ich aber BU werde, genau dann, wenn ich gerade in Teilzeit arbeite, dann prüft der Versicherer ja den zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Beruf. Und da ist in Teilzeit die 50%-Hürde schwieriger zu nehmen als in Vollzeit. Wenn ich eh schon nur die Hälfte arbeite, muss ich ja noch stärker eingeschränkt sein, um 50% BU zu sein.

Dieser Gedanke ist nachvollziehbar, aber nur teilweise richtig. Denn den BU-Grad erreiche ich nur selten über die Zeit, sondern meistens über das Arbeitsergebnis. Und da ist es eben meistens egal, wie lange ich arbeite. Wenn eine Kerntätigkeit wegfällt, geht nichts mehr. Trotzdem kann eine Teilzeit zum Nachteil werden.

Um dem entgegen zu wirken, haben erste Versicherer sogenannte Teilzeit-Klauseln eingeführt. Derzeit gibt es hier zwei Varianten, die – soviel sei verraten – beide eher gut gemeint als gut gemacht sind. Aber der Nachteil liegt wohl eher beim Versicherer als beim Versicherten.

Zwei Varianten von Teilzeit-Klauseln

Die eine Art der Klausel würde die Tätigkeiten einfach prozentual auf einen Vollzeit-Job hochrechnen. Das klingt erstmal fair, ist aber nicht unproblematisch. Mal angenommen, ich arbeite zweimal die Woche in einem Getränkelager, um über die Runden zu kommen und den Rest der Zeit versuche ich als Selbständiger Unternehmensberater ein Bein auf den Boden zu bekommen. Würden dann beide Berufe gleichermaßen hochgerechnet?

Und was ist mit Tätigkeiten, die sich nicht verlängern lassen oder vielleicht sogar arbeitsrechtlich nur für bestimmte Zeit ausgeübt werden dürfen? Ziemlich abstrakt, oder? Genau das wäre auch mein Vorwurf. Diese Art der Hochrechnung bildet eine abstrakte Arbeitsstelle, die nun zu prüfen ist. Wenn es hier nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kommt, hat jeder Seite gute Argumente, vor Gericht zu gehen.

Die zweite Variante berücksichtigt neben der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit im Leistungsfall auch mein Wirken als Hausmann. Das ist vor allem bei akademischen Berufen interessant, da Hausarbeit in der Regel immer anstrengender ist als Arbeit am PC.

Das Problem hierbei ist, was man nun alles als Hausarbeit definiert. In meinen Augen wäre das nur der Teil der Arbeit, den ich für andere Familienmitglieder, insbesondere Kinder oder Pflegebedürftige verrichte. Über Gartenarbeit will ich mal überhaupt nicht reden, aber es würde ja schon auch davon abhängen, wie groß und wie beschaffen das Haus ist. Und wäre es dann eine Mitwirkungspflicht, sich eine Waschmaschine zu kaufen oder kann ich BU beantragen, weil ich die Wäsche mit dem Waschbrett und Seife nur noch zu 50% sauber bekomme?

Ich übertreibe hier vielleicht ein wenig, aber im Grunde bleiben beide Varianten problematisch.


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Teilzeit, Corona, Homeoffice

In meinen Augen ist das aber halb so wild. Denn das Thema gibt es ja nicht erst seit Corona. Aber genau jetzt musste ich viel darüber nachdenken, was ist, wenn ich BU werde und gerade in Kurzarbeit bin, im Homeoffice oder gar nicht arbeite.

Alles halb so wild. Denn ein Beruf im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung muss meinen Lebensstandard prägen, auf Dauer ausgelegt sein und aus freien Stücken gewählt worden sein. Somit fällt schon mal alles weg, was mit Corona zu tun hat. Ist ja nicht freiwillig und sicherlich nicht auf Dauer ausgelegt.

Ich persönlich arbeite in Teilzeit, weil ich meine Töchter groß werden sehen will, bis die dann mit 13 keinen Bock mehr auf mich haben. Jetzt wäre es zu prüfen, ob meine Teilzeit dann auf Dauer angelegt ist. Ich würde sagen, dass es genau das nicht ist, weil ja schon festgelegt ist, wann ich plane, wieder Vollzeit zu arbeiten.

Es dürfte also sowieso in den wenigsten Fällen gelingen, eine Teilzeit tatsächlich als Grundlage der BU-Prüfung heranzuziehen. Deshalb sind die Klauseln in meinen Augen nicht notwendig. Sie sind lieb gemeint, aber sie machen es nicht unbedingt leichter. Am sinnvollsten wäre es, wenn die Rechtsprechung mal festlegen würde, wann Teilzeit tatsächlich freiwillig und auf Dauer angelegt ist.

Unterm Strich würde ich, anders als andere, der Teilzeit-Klausel nicht zu viel Bedeutung beimessen. Einerseits lassen sich wenige BU-Fälle konstruieren, wo die Arbeitszeit tatsächlich entscheidend ist. Es müssten ja Krankheiten sein, die sich 4 Stunden täglich, aber nicht 8 Stunden täglich ertragen lassen. In den allermeisten Fällen wird die BU über das Arbeitsergebnis erreicht.

Und auf der anderen Seite ließe sich sogar argumentieren, dass jeder, der es sich leisten kann, auf Dauer und freiwillig in Teilzeit zu arbeiten, dann auch das Restrisiko tragen könnte, einen leicht erschwerten Zugang zur BU-Rente zu haben.

Aber mit sozialer Verantwortung im Zusammenhang mit der BU-Rente zu diskutieren, eröffnet ein zu weites Feld…


Über mich

Grüß dich, ich heiße Philip Wenzel und bin Chefredakteur auf WORKSURANCE, einem Infoportal zur Arbeitskraftabsicherung. Außerdem bin ich noch selbst als Versicherungsmakler angestellt bei der BSC GmbH und einer der Geschäftsführer der Biometrie Expertenservice GmbH, wo wir mit Versicherern Produkte oder Tarife entwickeln. Die meisten kennen mich aber von meinen zahlreichen Veröffentlichungen in der Fachpresse. Ich bin zwar Fachwirt für Versicherungen und Finanzen (IHK), aber habe ursprünglich Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert und auch als Lehrer gearbeitet. Und dieser teils wissenschaftliche, teils pädagogische Ansatz prägt bis heute meine Beratung und meine ganze Arbeit in der Branche. Ich versuche selbst aus den Brettern vor den Köpfen noch Brücken zu bauen. Denn nur wenn mein Kunde alle hilfreichen Informationen hat, kann er für sich eine sinnvolle Entscheidung treffen. Und nur wenn ein Tarif den einzelnen Kunden genauso im Blick hat wie das Kollektiv, ist es ein guter Tarif. Deswegen sage ich auch als Experte für Kleingedrucktes, dass die Bedingungen erst dann wichtig sind, wenn der Kunde seine persönliche Lösung gefunden hat. Wenn du jetzt mehr Fragen hast als vorher oder schon jetzt weißt, dass du anderer Meinung bist, dann ist das schon ok. Du darfst mir aber auch schreiben und wir können uns darüber unterhalten! Ich freu mich darauf! info@worksurance.de