Das Urteil des Bundesgerichtshofes – das Ende des Rechtsweges! Oder etwa doch nicht?
Der „Fall Berges “ beschäftigt den BdV schon länger. Aktuell klagt unser Mitglied Herr Berges, vor dem Bundesverfassungsgericht für mehr Geld aus seinem Lebensversicherungsvertrag. Aber wie kann das eigentlich sein? Der Bundesgerichtshof hatte doch bereits in letzter Instanz abschließend zum Nachteil von Herrn Berges entschieden.
Was kann das Bundesverfassungsgericht jetzt noch für Herrn Berges tun? Wo liegt eigentlich der Unterscheid zwischen Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht?
Wer miteinander Verträge schließt, gerät manchmal darüber in Streit, wer bestimmte Rechte hat und wen bestimmte Pflichten treffen. Finden die Vertragspartner keine Lösung, wird der Streit durch die Fachgerichte entschieden.
Entscheidung durch die Fachgerichte
Hierzu zählen in diesem Beispiel die Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und in letzter Instanz der Bundesgerichtshof.
Je nach Höhe des strittigen Geldbetrages oder der Art des Streites befasst sich in erster Instanz das Amtsgericht oder das Landgericht damit. Ist eine Prozesspartei mit dem erstinstanzlichen Urteil nicht einverstanden, kann es das Oberlandesgericht anrufen. War wie im Fall Berges erstinstanzlich das Amtsgericht zuständig, wird die Berufung stattdessen vor dem Landgericht verhandelt. Nicht immer ist eine Berufung möglich. Beispielsweise muss der Geldbetrag, über den gestritten wird, eine bestimmte Höhe erreichen.
Das Berufungsgericht überprüft das erstinstanzliche Urteil auf Fehler und beseitigt sie. Dabei geht es in erster Linie um Rechtsfragen. Ausnahmsweise überprüft das Berufungsgericht auch Tatsachen, also wer wann was gesagt oder gemacht haben soll.
Und nach dem Berufungsgericht?
Wer vor dem Berufungsgericht nicht recht bekommen hat, hat endgültig verloren? Meistens schon.
Mit dem Berufungsurteil ist der Instanzenzug fast immer beendet. Denn der Gang zum Bundesgerichtshof als die Revisionsinstanz ist nur ausnahmsweise zulässig. Die Hürden zur Zulassung einer Revision sind hoch. So ist die Revision beispielsweise möglich, wenn zur Streitentscheidung eine Rechtsfrage geklärt werden muss, die der Bundesgerichtshof nicht bereits in einem anderen Verfahren entschieden hat.
Streiten die Parteien nicht über Tatsachen, sondern nur über rein rechtliche Fragen, also beispielsweise wie ein bestimmtes Gesetz zu verstehen ist, kann übrigens unter bestimmten weiteren Voraussetzungen die Berufungsinstanz übersprungen und gleich das Revisionsgericht angerufen werden (Sprungrevision).
Im Fall Berges hat der Bundesgerichtshof offene Rechtsfragen geklärt. Konkret ging es darum, wie bestimmte Paragrafen des Versicherungsvertragsgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuches zu verstehen sind. Juristen sagen, es ging um die Auslegung „einfachen Rechts“. Die Bezeichnung „einfaches Recht“ sagt dabei nichts über den Schwierigkeitsgrad aus, das Gesetz zu verstehen. Gemeint ist eine Rechtsnorm, die in der Hierarchie unterhalb des Grundgesetzes steht.
Die Auslegung einfachen Rechts durch den Bundesgerichtshof hat nicht dazu geführt, dass Herr Berges mehr Geld aus seiner Kapitallebensversicherung bekommen hat. Damit ist der Instanzenzug beendet.
Das war's?
Das war‘s? Nicht unbedingt!
Zwar ist das Bundesverfassungsgericht nicht dazu da, als nunmehr viertes Gericht in der Reihe nochmals eigene Erwägungen zur Auslegung und Anwendung von Gesetzen anzustellen und sie über die Erwägungen der Fachgerichte zu stellen. Auch in einer funktionierenden Rechtsordnung muss irgendwann einmal „Schluss“ sein, bei allem verständlichen Ärger der unterlegenen Partei über einen verlorenen Prozess.
Die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts ist allein Aufgabe der Fachgerichte. Unterläuft einem Fachgericht bei der Anwendung oder Auslegung einfachen Rechts ein Fehler, führt dies nicht zur Aufhebung des Urteils durch das Bundesverfassungsgericht. Daher sagt auch das Bundesverfassungsgericht über sich selbst, dass es nicht die „Superrevisionsinstanz“ sei, also die Revisionsinstanz der Revisionsinstanz.
Das Bundesverfassungsgericht kann allerdings Urteile von Fachgerichten aufheben, wenn sie gegen Grundrechte verstoßen. Man spricht dann auch von der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts.
Einen Grundrechtsverstoß nimmt das Bundesverfassungsgericht an, wenn das angegriffene Urteil „Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts beruhen oder wenn das Auslegungsergebnis mit den Grundrechtsnormen nicht vereinbar ist“.
Im Fall Berges sind wir der Meinung, dass der Bundesgerichtshof die Reichweite der Grundrechte und ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005 nicht ausreichend beachtet hat. Über die Verletzung „spezifischen Verfassungsrechts“ hat das Bundesverfassungsgericht nun zu befinden.
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