Ein Viertel der Lebensversicherer ist angezählt
Studie zeigt Verlusterwartung oder zu geringe reine Solvenz bei 21 von 84 Unternehmen
Besorgniserregende Ergebnisse zeigt die diesjährige Analyse der Solvenzberichte der Deutschen Lebensversicherer. Der Bund der Versicherten e. V. (BdV) hat auch dieses Jahr gemeinsam mit Zielke Research Consult GmbH die Solvenzberichte des Vorjahres in Hinblick auf einen breiten Kanon von Kennzahlen untersucht. „Uns besorgt, dass ein Viertel der Versicherungsunternehmen nur durch Übergangsmaßnahmen genügend Solvenz aufweist oder strukturell auf Verlust fährt“, erklärt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV. Positiv hebt Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführender Gesellschafter der Zielke Research Consult GmbH, hervor: „Die Transparenz der Berichte hat erneut zugenommen. Aber Run-Off-Versicherer haben auch weiterhin Probleme damit, mit offenen Karten zu spielen.“ Die umfangreiche Analyse kann unter unseren Stellungnahmen abgerufen werden und steht zur freien Verfügung. „Unterm Strich gibt es kein Unternehmen, bei dem in allen Prüfpunkten Entwarnung gegeben werden kann“, fasst Kleinlein die Untersuchung zusammen.
Die Solvenzquoten unterscheiden sich stark darin, ob sogenannte Übergangsmaßnahmen angesetzt werden oder nur die reine Solvenz betrachtet wird. „Zwölf Unternehmen hätten ohne Übergangsmaßnahmen keine ausreichende Solvenz“, erklärt Zielke. Auffällig ist, dass besonders solche Unternehmen geringe Solvenz aufweisen, die sich in Abwicklung befinden, also im Run-Off. „Offensichtlich sind die Managerinnen und Manager der Run-Off-Unternehmen in Sachen Solvenz sehr risikofreudig“, erklärt Kleinlein. Mit Blick auf die sinkenden Risikomargen über die gesamte Branche hinweg, ergänzt Zielke: „Die Unternehmen kalkulieren zunehmend auf Kante.“
Auch ist zu beobachten, dass branchenweit zwölf Unternehmen zukünftig keine Gewinne erwarten. „Wir sehen solche Unternehmen in ihrer Resilienz, den Schwierigkeiten der Märkte auf Dauer zu trotzen, gefährdet“, analysiert Kleinlein. Bei den Gewinnerwartungen driftet der Markt zunehmend auseinander. Bei einer Mehrheit der Unternehmen zeigt sich, dass sich je nachdem Verlusterwartungen oder überzogene Gewinnerwartungen verstärken. „Der Markt bewegt sich ungesund auseinander“, kritisiert Kleinlein.
Zusammenfassend erwarten 21 der untersuchten 84 Versicherer keine Gewinne oder haben zu geringe reine Solvenzquoten. „Es ist besorgniserregend, dass ein Viertel der Unternehmen zwei der grundlegenden Voraussetzungen für ein dauerhaft funktionierendes Geschäftsmodell nicht aufweisen“, erklärt Kleinlein. „Dies sind deutliche Anzeichen für eine langandauernde und tiefgreifende Krise der Deutschen Lebensversicherer. Wir erwarten mindestens zunehmend ineffiziente Verträge bis hin zu Insolvenzen von Unternehmen.“
Besonders auffällig sind die Probleme bei den Versicherern, die kein Neugeschäft mehr schreiben. „Run-Off-Versicherer zeichnen sich durch eine besonders hohe Intransparenz aus“, erklärt Zielke. Betrachtet man die Run-Off-Plattformen für die klassische Lebensversicherung, so zeigen sich noch deutlichere Probleme, da die reine Solvenz hier im Durchschnitt nur 37 Prozent beträgt. „Offensichtlich zielen die Run-Off-Versicherer darauf ab, Gewinne abzuschöpfen ohne die Solvenz und damit die Sicherheit des Unternehmens zu stärken“, fasst Kleinlein einen Hauptkritikpunkt am Geschäftsmodell zusammen.
Bereits im August hat der BdV zusammen mit dem Vermittlerverband AfW darauf hingewiesen, dass in Sachen Run-Off dringender Handlungsbedarf besteht. Kleinlein sieht sich nun bestätigt: „Die Untersuchung der Solvenzberichte unterstreicht, dass Run-Off-Unternehmen deutliche Gefahren für die Versicherten bergen“. Daher müssten die Versicherten im Falle eines Run-Off gestärkt werden.
Der BdV hat die Ergebnisse übersichtlich mit einer leicht verständlichen Ampelsystematik dargestellt. So kann mit einem Blick bei den untersuchten acht Kriterien erkannt werden, ob bei einem Versicherungsunternehmen aus Verbrauchersicht Handlungsbedarf besteht (rot), Verbesserungspotential gehoben werden sollte (gelb) oder Entwarnung gegeben wird (grün). „Nach intensiven Diskussionen mit Wissenschaft, Anbietern und anderen Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützern haben wir die Bewertung im Vergleich zum Vorjahr leicht modifiziert“, erläutert Kleinlein. Hintergründe zur Methodik sowie ausführliche Erläuterungen zu den Einzelunternehmen, finden sich ebenfalls auf der Homepage des BdV.