29.03.2022

Reisekrankenversicherungen und Reisen nach Russland: Wer jetzt nach Russland reist, könnte Probleme

Russland hat in dem seit 2014 andauernden russisch-ukrainischen Krieg mit den im Februar 2022 begonnenen Angriffswellen weitere Eskalationsstufen überschritten. Bislang reagieren Deutschland, die EU-Mitglieder und weitere Staaten auf die jüngsten russischen Okkupationsversuche vorrangig mit Sanktionen, Embargos und Boykotten. Die russische Invasion hat auch direkte Auswirkungen auf Auslandsreisende in Russland (v. a. wenn sie im Krankheitsfall medizinisch behandelt/versorgt werden müssen) und wirft viele Fragen auf.


Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Für Reisen nach Russland ist ein Visum erforderlich. Bei der Beantragung des Visums ist ein Krankenversicherungsvertrag nachzuweisen, bei dem entscheidende Details zu beachten sind. 

  • Die GKV übernimmt keine Kosten in Russland.

  • Reisende sollten sich vor der Abreise gut über ihre Versicherung und die aktuelle Risikosituation in Russland informieren.


Welchen Krankenversicherungsschutz brauchen Russlandreisende?

Wer keine russische Staatsbürgerschaft besitzt, benötigt bei Russlandreisen für die Ein- und Ausreise ein Visum. Bei der Beantragung des Visums ist ein Krankenversicherungsvertrag nachzuweisen, der in Russland leistet (Mindestdeckungssumme 30.000 Euro) und (!) bei einem russischen (!!) Rückversicherer rückversichert ist (!!!).

Davon losgelöst zählt die Auslandsreisekrankenversicherung für alle Auslandsreisenden zu den wichtigsten Versicherungsverträgen (mehr dazu im letzten Abschnitt dieses Beitrags).

Welche Bedeutung haben Rückversicherer?

Verbraucher*innen, die einen privaten Versicherungsvertrag abschließen, sind Versicherungsnehmer bei einem sogenannten Erstversicherer (hier: Versicherungsunternehmen, die Auslandsreisekrankenversicherungen anbieten).

Die Erstversicherer schließen wiederum Versicherungsverträge mit Rückversicherern, um die Lasten bei großen Schadenfällen zu kompensieren – eigentlich. Der Grund für die Rückversicherung dieser Reisekrankenversicherungsverträge bei einem russischen Unternehmen liegt aber woanders: weil Russland es verlangt.

Reisen nach Russland sind immer noch möglich und finden statt

Ob es sinnvoll ist, in der jetzigen Situation nach Russland zu reisen, sei dahingestellt (von familiären und dienstlichen Notwendigkeiten abgesehen). Möglich ist es trotz der verhängten Flugverbote durchaus: Fluglinien mit Umsteigeflughäfen in Ländern, die Flugverbindungen nach Russland nach wie vor zulassen, bieten entsprechend auch Flugreisen aus Deutschland nach Russland an: z. B. über die Türkei (v. a. Istanbul), Serbien (Belgrad), Vereinigte Arabische Emirate (v. a. Dubai und Abu Dhabi) oder Katar (Doha). Nach aktuellen Presseberichten registrieren die betreffenden Fluglinien einen deutlichen Anstieg der Ticketverkäufe für Flüge nach Russland.[1]

Reisen von der EU (so auch aus Deutschland) nach Russland sind also noch möglich – und sie finden offenkundig auch statt.

Sind deutsche Reisekrankenversicherungsverträge von den Russland-Sanktionen betroffen? Indirekt ja …

… da Russland als Gegenmaßnahme zu den Sanktionen beschlossen hat, russischen Versicherern den „Geschäftsabschluss“ mit Versicherern und Versicherungsmaklern aus „unfreundlichen Staaten“ (v. a. USA, Japan, UK, Schweiz, alle EU-Mitglieder) zu untersagen – zunächst bis zum 31. Dezember 2022.[2] Nach Auskunft von einzelnen deutschen privaten Krankenversicherern hat ein großer russischer Rückversicherer bereits den Rückversicherungsvertrag für deutsche Reisekrankenversicherungen gekündigt (wobei auch von deutscher Seite aus geplant gewesen sei, zu kündigen).

Aber: Der Versicherungsschutz deutscher Krankenversicherungsverträge sei bei Aufenthalten in Russland dagegen nicht gefährdet. Allerdings müssen Einschränkungen bei der „direkten“ Kostenübernahme (siehe übernächsten Absatz) beachtet werden.

Ist eine deutsche Reisekrankenversicherung für die Erteilung eines Visums ausreichend? Nein …

… (siehe vorherigen Abschnitt). Darüber hinaus ist unklar, welche konkreten Auswirkungen die russischen Maßnahmen auf bereits erteilte Visa haben.

Ist bei deutschen Reisekrankenversicherungen eine „direkte“ Kostenübernahme möglich (z. B. mit Krankenhäusern in Russland)? Nein …

… zwar bieten viele Reisekrankenversicherer eine Kostenübernahme an – z. B. bei stationären Behandlungen und Transportkosten (zur stationären Versorgung und/oder den medizinischen Rücktransport nach Deutschland). Diese Kostenübernahmen dürften in der aktuellen Lage in Russland kaum möglich sein, da (wegen des SWIFT-Ausschlusses von Russland) Geldüberweisungen nach Russland massiv eingeschränkt sind. Betroffene müssten demnach auch bei kostenaufwendigen Behandlungen in Vorleistung gehen.

Wie erfolgt die Bezahlung für medizinische Leistungen in Russland (z. B. Arzt- oder Krankenhausrechnungen)? Unklar …

… – grundsätzlich ist in der privaten Krankenversicherung die Kostenerstattung vereinbart, d. h. Patientinnen und Patienten müssen üblicherweise in Vorleistung gehen und die medizinischen Leistungen bezahlen. Gegen Nachweis (Arztrechnungen, Rezepte etc.) erstattet dann der Versicherer die Kosten für die erbrachten medizinischen Leistungen und überweist den erstattungsfähigen Betrag auf das Konto des Versicherungsnehmers. Nun besteht aber auch hier das Problem, dass die Möglichkeiten der Geldüberweisung von deutschen auf russische Bankkonten (z. B. der Krankenhäuser oder Ärztinnen und Ärzte in Russland) massiv eingeschränkt sind – das gleiche gilt für American-Express-, Mastercard- und Visa-Kreditkartenzahlungen in Russland.

Fazit: Es ist unklar, wie Betroffene in Russland an ihr Geld (von ihrem deutschen Konto) kommen, um dann für die medizinischen Leistungen zahlen zu können. Wer nicht über genügend Bargeld verfügt oder Zugriff auf ein (ausreichend gedecktes) Konto in Russland hat, dürfte dann ein Problem bekommen.

Leistet die GKV in Russland? Nein …

… da zwischen Deutschland und Russland kein Sozialversicherungsabkommen besteht.

Leistet die PKV in Russland? Ja …

… da in der privaten Krankenvollversicherung (PKV) Leistungen im Krankheitsfall außerhalb von EU/EWR meistens zeitlich begrenzt mitversichert sind (üblicherweise zumindest für die Dauer von einem Monat – oftmals auch für länger). Dies betrifft z. B. Beamtinnen und Beamte, die für deutsche Behörden in Russland tätig sind (z. B. dem Auswärtigen Amt).

Aber: Hier stellen sich für Patientinnen und Patienten vergleichbare Fragen wie bei Auslandsreisenden mit privaten Auslandskrankenversicherungen aus Deutschland (v. a. auf welchem Weg sie für medizinische Leistungen bezahlen können).

Vorsorge und Prävention sind die beste Absicherung …

… und auch bei Auslandsreisen, die nicht nach Russland führen, sollten Reisende sich vor Reiseantritt mit den entscheidenden Frage- und Problemstellungen beschäftigen.

In der SARS-CoV-2-Pandemie ist deutlich geworden, dass es nicht möglich ist, jedes denkbare Risiko bei Auslandsreisen vollumfänglich über Versicherungsverträge abzusichern (es gibt nach wie vor eine Vielzahl von unterschiedlichen Pandemie-Regelungen im In- und Ausland hinsichtlich nationaler, regionaler und lokaler Vorschriften zu Ausgangs- und Zugangsbeschränkungen, Test-Erfordernissen, Nachweispflichten zum Impfstatus, Ein- und Ausreiseanforderungen, Quarantäne- und Isolationsvorschriften, individuelle Regelungen der Reiseveranstalter, Fluglinien, Hotels etc.).

Bei kriegerischen Auseinandersetzungen gilt dies umso mehr – sie ändern sich fortlaufend und dynamisch und haben entsprechend auch Auswirkungen auf die Verhältnisse im Inland des Aggressors Russland. Hier sollten Auslandsreisende v. a. aufmerksam und regelmäßig die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes beachten.[3] Reisewillige sollten sich deshalb bei der individuellen Reiseplanung sorgfältig mit ihrer persönlichen Risikosituation und den Gegebenheiten vor Ort auseinandersetzen und ggf. auch von einer Reise Abstand nehmen (bzw. die Rückreise antreten), wenn sie mit einer angemessenen Bewertung der Risikosituation überfordert sind.

Unabhängig von Russland: Die Auslandsreisekrankenversicherung zählt zu den wichtigsten Versicherungsverträgen für Auslandsreisende …

… denn sie übernimmt die von GKV/Krankenkasse nicht gedeckten Kosten für eine Heilbehandlung im Ausland, wenn Sie auf einer Auslandsreise erkranken. Dazu zählen unter anderem die Kosten für

  • ärztliche Behandlungen,

  • Unterbringung und Verpflegung bei einem Krankenhausaufenthalt,

  • den Transport zum nächsten Krankenhaus oder Notarzt durch den Rettungsdienst sowie den Rücktransport aus dem Ausland (der Rücktransport wird von GKV/Krankenkassen nicht übernommen).

Die Prämien für die Auslandsreisekrankenversicherung sind recht günstig – sie liegen für einen Jahresvertrag im unteren zweistelligen Eurobereich.

Auch für PKV-Vollversicherte kann der Abschluss dieser Versicherung sehr wichtig sein. Besonders dann, wenn von der privaten Krankenvollversicherung keine Kosten für den medizinischen Auslandsrücktransport übernommen werden. Sinnvoll ist es außerdem, wenn der Versicherer dann auf die Geltendmachung von Kosten gegenüber der PKV-Vollversicherung verzichtet, wenn dies für den Versicherten wirtschaftlich nachteilig ist. PKV-Versicherte können so z. B. vermeiden, dass die während der Auslandsreise angefallenen Behandlungskosten zulasten der Selbstbeteiligung (und/oder der Beitragsrückerstattung) im PKV-Vollversicherungstarif gehen.


[1] Wie Passagiere die Flugverbote Richtung Russland umgehen (Welt Online, abgerufen am 28. März 2022).

[2] Kremlin prohibits re/insurance transactions with “unfriendly states” (Reinsurance News): reinsurancene.ws/kremlin-prohibits-re-insurance-transactions-with-unfriendly-states/ (abgerufen am 28. März 2022).

[3] Reise- und Sicherheitshinweise für die Russische Föderation (Auswärtiges Amt)

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Constantin Papaspyratos | © Achenbach 2023

Über mich

Nach meinem Ökonomie-Studium und diversen Tätigkeiten im parlamentarischen Bereich habe ich 2016 beim BdV angefangen. Neben der Frage, weshalb die Kapitalanlagen bei klassischen Kapitallebensversicherungen als Giffen-Güter funktionieren, beschäftige ich mich mit Personenversicherungen (v. a. Kranken-, Pflege- und Arbeitskraftabsicherung).